Problem in der Zahnpaste-Fabrik

Faule Menschen haben die besten Lösungen: Das Beispiel vom Zahnpasta-Fließband

Ich habe vor ein paar Tagen eine sehr interessante Geschichte über Problemlösungen im Tagesgeschäft von großen Firmen gelesen. Weil die Geschichte zu großen Teilen amüsant wie authentisch ist, würde ich sie gerne mit euch teilen:

Problem in der Zahnpaste-Fabrik
via elmada

Die Geschichte spielt in einem großen Zahnpasta-Unternehmen:

Prozessoptimierung am Zahnpasta-Fließband

Die Firma hatte vor ein paar Jahren mit einem großen Problem zu kämpfen: Die Firma lieferte einen überproportional großen Anteil an leeren Verpackungen aus Ihren Fabriken aus. Dies führte zu einem gesteigerten Unmut bei Großhändlern, die im ersten Schritt für die Lieferung von leeren Kartons bezahlten und auch bei dem ein oder anderen Endkunden, der leere Schachteln in den Regalen von Super- und Drogerie-Märkten vorfand und womöglich kaufte und mit nach Hause nahm.

Auch wenn es trivial klingen mag, eine Zahnpasta-Tube in eine Verpackung zu stecken, werden viele Experten versichern können, dass die korrekte automatisierte Produktion von nahezu jedem Produkt am Fließband ein Meisterwerk der Technik und zeitlichen Koordination darstellt. Dementsprechend sah auch der damalige CEO der Firma Handlungsbedarf, da es die Kapazitäten und Expertise seiner Angestellten schlichtweg überforderte. Er initiierte ein Projekt und gab ein entsprechendes Budget für die Behebung des Problems frei. Er nutzte das Geld um die besten Ingenieure und Beratungsfirmen auf ihrem Gebiet zu engagieren. Am Ende umfasste das Projekt 14 Mitglieder, lief über 5 Monate und verschlang eine stolze Summe von 8 Millionen Euro.

Die Experten analysierten den Sachverhalt bis ins kleinste Detail mit der Zielsetzung, dass es keine leere Zahnpaste-Verpackung mehr aus der Fabrik schaffen würde. Am Ende fanden Sie eine Lösung, in der ein Mechanismus implementiert wurde, der die Packungen am Ende des Fließbands wiegen würde und bei den Verpackungen, die als zu leicht diagnostiziert werden, würde das Fließband kurz pausiert und ein Alarm ausgelöst. Dieser Alarm benachrichtigte wiederum einen Mitarbeiter im Werk, der die fehlerhafte Verpackung vom Fließband nehmen konnte und das Fließband per Knopfdruck wieder starten konnte. Das Projekt wurde dokumentiert und als erfolgreich abgeschlossen zu den Akten gelegt.

In den kommenden Monaten machten sich signifikante Änderungen im Geschäft des Zahnpasta-Herstellers bemerkbar. Die Kundenzufriedenheit stieg stark an und auch die Kosten für Nachlieferungen und das Beschwerdemanagement konnten erheblich reduziert werden. Alle im Unternehmen waren zufrieden.

Ein halbes Jahr nach erfolgreichem Projektabschluss nahm der CEO sich die Zeit, das Projekt anhand von der bereitgestellten Dokumentation und den wöchentlichen Reports zu evaluieren. Sein Urteil war durchweg positiv. Das Projekt war seine 8 Millionen Euro definitiv wert gewesen. Aber eine Zahl fiel ihm bei seinen Analysen ins Auge: Die Zahl der fehlerhaften Verpackungen, die entfernt werden mussten, pro Tag. Den vorliegenden Reports zufolge, wurde in den vergangenen 2 Monaten nicht eine einzige Verpackung als „zu leicht“ gekennzeichnet und entsprechend entfernt. Dies konnte eigentlich nicht angehen, da es entweder bedeuten würde, dass das implementierte System fehlerhaft oder das Projekt überflüssig gewesen sei. Verärgert rief er seinen Projektleiter an und konfrontierte ihn mit dem Umstand. Dieser prüfte die vorliegenden Zahlen gewissenhaft und meldete, dass es keinen Fehler in der Messung gebe und die Reports folgerichtig wahrheitsgemäß seien.

Verblüfft ergriff der CEO die Initiative und nahm seinen Projektleiter mit in die Fabrik, um der Sache vor Ort auf den Grund zu gehen. Als Sie am Fließband ankamen, wollten Sie ihren Augen nicht trauen: Vor der installierten Verpackungswaage unter dem Fließband, fanden Sie einen handelsüblichen Ventilator aufgestellt, der alle zu leichten Verpackungen direkt vom Band in einen dahinter platzierten Mülleimer pustete. Daher konnten auch keine fehlerhaften Verpackungen gewogen werden.

Bei weiteren Ermittlungen stellte sich heraus, dass der Mitarbeiter, der eigentlich mit dem Entfernen der Verpackungen beauftragt war, es irgendwann leid war, bei jeder Benachrichtigung aufzustehen und zum Fließband zu laufen …

Was lernen wir also aus dieser Geschichte?

  • Die besten Lösungen hat nicht immer derjenige mit dem schillernsten Lebenslauf
  • Die besten Projekte beginnen nicht immer mit einem Projektplan in MS Visio
  • Probieren geht über Studieren
  • Es gibt mehr Expertise im eigenen Unternehmen als man glauben mag

Mich persönlich bestärkt es auch darin, weiter pragmatische Lösungen gegenüber komplexen theoretischen Vorgehensweisen zu präsentieren. Wohl wissend, dass einige Probleme definitiv einen größeren Aufriss benötigen, als nur eine Aneinanderreihung von Abkürzungen.

Was meint ihr?

Christoph Kleine
Christoph Kleine

... Managing Director bei THE BIG C Agency & Gründer von internetzkidz.de. Neben Online-Marketing beschäftigt er sich mit Usability, Web-Analytics, Marketing-Controlling und Businessplanung. Xing, LinkedIn.

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3 Kommentare

    • Hallo Stephan, das kann ich dir leider nicht beantworten. Ich würde es eher als Urban (Web) Myth einschätzen. Allerdings habe ich genügend Konzern-Projekte erlebt, um es als „abstrahierte. anonymisierte, pauschalisierte“ bare Münze zu betrachten.

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